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Bad Sauerbrunn

Nach Kriegsende fand die Bevölkerung von Bad Sauerbrunn eine unbekannte Frauenleiche auf dem Grundstück Mattersburgerstrasse 25. Der Lehrer des Ortes begrub gemeinsam mit einem weiteren Ortsansässigen die Tote an Ort und Stelle.[1]

Knapp 10 Jahre später befand sich der Kantor der Israelitischen Kultusgemeinde in Bad Sauerbrunn auf Urlaub, und wohnte während dieser Zeit zufällig unter ebendieser Adresse Mattersburger Strasse 25. Während seines Urlaubsaufenthaltes zog das Grab seine Aufmerksamkeit auf sich, und Kantor Harmelin versuchte Näheres in Erfahrung zu bringen. Nach seinem Urlaub berichtete er im September 1954 dem Vizepräsidenten der Kultusgemeinde, Dr. Ernst Feldsberg. Nach diesen Angaben handelte es sich bei dem Grundstück in der Mattersburgerstrasse 25 um ein Durchgangslager (an anderer Stelle auch „Durchzugslager“ genannt) für „in den letzten Kriegsjahren durchziehende(n) jüdische(n) Zwangsarbeiter“. Weitere Nachforschungen ergaben, dass die Besitzerin des Grundstückes während des Krieges in Wien wohnte und gegen Kriegsende von einer offiziellen Stelle ersucht wurde, ihr Grundstück für die Zwecke eines Durchgangslagers zur Verfügung zu stellen. Laut ihrer Aussage sagte sie zu, da sie „unter den damaligen Umständen nicht ablehnen“ konnte. Später tauchte noch die Zeugenaussage des zweiten Ortsansässigen auf, der 1945 bei dem Begräbnis der Frau beteiligt war. In seiner Aussage sprach er explizit von einer „jüdischen Frauenleiche“. Zwar fühlte sich die Kultusgemeinde prinzipiell zuständig sich um die Umbettung des Opfers auf einen israelitischen Friedhof zu kümmern, aber man erachtete die Hinweise darauf, dass es sich tatsächlich um den Fund einer jüdischen Leiche handelte, als noch nicht ausreichend. Weitere Nachforschungen brachten aber auch keine Sicherheit in dieser Angelegenheit.[2] Aus diesem Grunde setzte sich das Friedhofsamt der IKG am 25. Juli 1955 mit dem Oberrabbiner in Verbindung, um die Erlaubnis zur Exhumierung einzuholen. Das Rabbinat verwies in seiner Antwort vom 4. August 1955 darauf, dass „mit einer an die Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen“ ist, dass es sich um eine Jüdin handle. Daher sei die Bestattung auf einem jüdischen Friedhof „nicht nur gestattet, sondern unsere Pflicht.“ Trotzdem nun einer Exhumierung und Wiederbestattung nichts mehr im Wege stand, scheint sich die Angelegenheit verschleppt zu haben. Zumindest läßt dies eine Amtsnotiz vom 5. Oktober 1955 vermuten, in der Vizepräsident Dr. Feldsberg äußert „Wir müssen uns nun endlich um folgende Exhumierungen kümmern“, und dabei auch noch einmal Sauerbrunn anführt. Die nächsten Schriftstücke stammen erst vom Frühjahr 1964 und zeigen, dass man sich seitens der IKG nicht sicher war, ob die Exhumierung in Sauerbrunn überhaupt stattgefunden hatte. Nach einer handschriftlichen Notiz vom 10. März 1964 fand vor Ort in der Mattersburgerstrasse 25 in Sauerbrunn daher noch einmal ein Besuch durch einen Vertreter der IKG statt. Der Grundstücksbesitzer sagte dabei aus, „es soll angeblich eine Frau im Garten begraben sein wo der Platz ist kann er nicht sagen und er läßt sich nicht den ganzen Garten ruinieren. Er selbst weiss von nichts (...)“.

In ihrem Bericht „Vergessene Opfer“ geht Tina Walzer davon aus, dass die Leiche bislang nicht exhumiert wurde.[3]

Das Lager in Bad Sauerbrunn läßt sich in den Themenkomplex der Zwangsarbeit ungarischer Juden gegen Kriegsende im damaligen Gau Niederdonau nur unter zwei Aspekten einordnen. Zum einen wäre es möglich, dass es sich hier um eines der Lager für die sogenannten „Straßhofer Juden“ handelte, die ab Sommer 1944 als „Austauschjuden“ in den verschiedensten Lagern in Niederdonau Zwangsarbeit in der Landwirtschaft oder der Industrie leisten mussten. Dafür fehlen bislang aber jegliche Belege.  

Andererseits könnte aber der Passus über die "durchziehenden jüdischen Zwangsarbeiter“ ein Hinweis darauf sein, dass eine Gruppe von ungarischen Juden gegen Ende des Krieges über Bad Sauerbrunn in Richtung Westen evakuiert wurde, und zwar wahrscheinlich gemeinsam mit den Ungarn aus dem „Krankenstützpunkt“  Neudörfl.[4]

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[1] Soweit nicht anders ausgewiesen, beziehen sich die folgenden Angaben auf: Archiv der IKG Wien, Feldsberg-Akten, Mappe Sauerbrunn.

[2] Im Akt der IKG finden sich auch zwei undatierte handschriftliche Zettel mit weiteren verwirrenden Informationen zur weiblichen Leiche. Auf dem ersten Zettel findet sich der Vermerk „Die Verstorbene heißt Kitka, und soll bei einer Frau Leicha, Wr. Neustadt gewohnt haben.“ Der zweite Zettel vermerkt lediglich: „Kitka / Wr. Neustadt / gew. Hausfrau / Leicha“ (oder Leiche?)

[3] Tina Walzer. Vergessene Opfer? Die jüdischen Massengräber in Österreich. In: David, Jüdische Kulturzeitschrift, 14. Jg., Nr. 55, Dez. 2002, S. 15 - 20

[4] Vgl. zu dieser These auch die Annahme von Frau Dr. Lappin-Eppel, die in ihren Forschungen ebenfalls von einer Evakuierungsroute über Bad Sauerbrunn, Neudörfl und Wiener Neustadt ausgeht. Eleonore Lappin-Eppel. Ungarisch-Jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45. Arbeitseinsatz – Todesmärsche – Folgen. S. 386 und 395.

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