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Gerichtliche Ahndung des Verbrechens

Im Oktober 1946 begann aufgrund der Morde in Deutsch Schützen vor dem Landesgericht in Wien ein Volksgerichtsprozeß gegen acht tatverdächtige HJ-Führer. Nach einer zweitägigen Verhandlung wurden fünf von ihnen als Mitschuldige am Verbrechen zu Strafen zwischen 15 Monaten und drei Jahren Haft verurteilt.
Einer der Hauptschuldigen, HJ-Bahnnführer Alfred WeberDtSchuetzenBriefWeberKl , war zu diesem Zeitpunkt flüchtig. Es gelang ihm, sich zehn Jahre lang vor der Justiz zu verstecken. Im Juli 1955 wurde er schließlich in Bayern gefasst und an die österreichischen Behörden überstellt. Sein fünftägiger Prozeß vor dem Landesgericht Wien im Juni 1956 war gleichzeitig der erste österreichische Geschworenenprozeß aufgrund nationalsozialistischer Verbrechen, denn die Volksgerichtsbarkeit wurde nach dem Abzug der Alliierten aus Österreich im Dezember 1955 abgeschafft. Obwohl bis in die 1970er-Jahre hinein zahlreiche Geschworenenprozesse gegen NS-Täter geführt wurden, erregten sie vor allem aufgrund offensichtlicher Fehl- und Skandalurteile die Öffentlichkeit. So auch im Fall von Alfred Weber. Dieser, aufgrund von Zeugenbeeinflussung, Falschaussagen sowie Verschleppung von Beweismaterial bemerkenswerte Prozeß, endete schließlich mit einem Freispruch für Weber.
DtSchuetzenStormsFahndungklIm Zuge eines politikwissenschaftlichen Forschungspraktikums 2008 stieß schließlich der Student Andreas Forster beim Studium der Prozessunterlagen erneut auf den Namen Adolf Storms. Mit einer simplen Telefonrecherche gelang es ihm, den damaligen Aufenthaltsort des mutmaßlichen Mörders und zweiten Hauptbeschuldigten zu eruieren. Ende Oktober 2009 erhob die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen Storms. Anschließend wurde eine geraume Zeit darüber debattiert, ob Storms verhandlungsfähig sei oder nicht. Aber noch vor Eröffnung der Hauptverhandlung verstarb Adolf Storms 91-jährig im Juni 2010.
Die Bilanz der Strafverfolgung der Verbrechen von Deutsch Schützen ist ernüchternd. Zwar werden fünf zum Tatzeitpunkt jugendliche HJ-Führer 1946 zu Haftstrafen verurteilt, jedoch waren damit nicht die Haupttäter zur Verantwortung gezogen. Der Anstifter zum Massenmord, der damalige HJ-Bannführer Alfred Weber, konnte sich zehn Jahre lang der Justiz entziehen. Als er schließlich doch noch verhaftet und vor Gericht gestellt wurde, war die Mehrheit der Bevölkerung mittlerweile bemüht, einen „Schlussstrich“ unter die NS-Zeit zu ziehen. Mit dem einsetzenden Wirtschaftsaufschwung und dem damit verbundenen Arbeitskräftemangel gelangten auch zahlreiche ehemalige Nationalsozialisten wieder in Amt und Würden – auch in der Justiz. Man hat bei Durchsicht der Prozessakten nicht den Eindruck, dass das Gericht ernsthaft an einer Verurteilung Webers interessiert war. In Bezug auf Adolf Storms hat die österreichische Justiz sogar vier Möglichkeiten vertan, um seiner habhaft zu werden. Weder wurde er im Sommer 1946 aus dem Internierungslager Dachau ausgeliefert, noch wurden Ermittlungen nach der Nennung seines Namens im Volksgerichtsprozeß gegen die HJ-Führer oder im Geschworenenprozeß gegen Weber eingeleitet. Auch die Entdeckung des Massengrabes im Juni 1995 war für die österreichische Justiz offenbar kein Grund Erhebungen einzuleiten. So dauerte es letztendlich 64 Jahre, bis es in Deutschland doch noch zur Anklage gegen den SS-Mann Adolf Storms kam. Sein Tod mit 91 Jahren beendete aber schließlich auch diese Bemühungen einer verspäteten Rechtsprechung.

 

Quellen:

Wiener Stadt- und Landesarchiv, Vg 1g Vr 2059/45, Prozess gegen Franz Aldrian, Karl Bundschuh, Wilhelm Bundschuh, Franz Dobesberger, Alfred Ehrlich, Walter Feigl, Fritz Hagenauer und Johann Kainz.

Wiener Stadt- und Landesarchiv, 20a Vr 661/55, Prozess gegen Alfred Weber.

Andreas Forstner, Deutsch Schützen – vom Ostwallbau zum Endphasenverbrechen. In: Amt der Burgenländischen Landesregierung (Hg.), Das Drama Südostwall am Beispiel Rechnitz. Daten, Taten, Fakten, Folgen. Eisenstadt 2009, S. 154 – 164, (= Burgenländische Forschungen Bd. 98).

Walter Manoschek, „Dann bin ich ja ein Mörder!“, Göttingen 2015.

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