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Hilfe und Unterstützung

Im Abschnitt V war Dr. Erich Stadler als Stellungsbauarzt eingesetzt und damit für sämtliche Arbeiter des Abschnittes zuständig. Er machte zunächst keinen Unterschied zwischen den Schanzarbeitern unterschiedlichster Nationalität, sondern behandelte in seinem Zuständigkeitsbereich die ungarischen Zwangsarbeiter in gleicher Weise wie die übrigen Arbeiter. Das seit 1938 geltende Verbot, dass „arische“ Ärzte keine Juden behandeln durften, ignorierte er. Nicht so die leitende Rot-Kreuz-Schwester Sidonie Wenzel. Ihr mißfiel das Vorgehen von Dr. Stadler und sie ließ sich von der Gauverwaltung in Graz schriftlich bestätigen, dass Juden nicht behandelt werden dürfen. Dies war nur einigen jüdischen Ärzten gestattet, die zusammen mit den Gruppen der ungarischen Zwangsarbeiter gekommen waren. Diesen jüdischen Ärzten sei „Sanitätsmaterial in beschränkten Mengen“ zur Verfügung zu stellen. Ihre schriftlich eingeholte Anordnung gab Wenzel auch an alle anderen Rot-Kreuz-Helferinnen und -Helfer im Abschnitt weiter.
Trotzdem bemühte sich Dr. Stadler weiterhin die Ungarn zu unterstützen. Sein Krankenrevier befand sich im Unterabschnitt V/5, Minihof-Liebau. Während der Fleckfieber-Epidemie konnte er mit Hilfe des dortigen Unterabschnittsleiters Zeichen einige Gehöfte räumen und als Isolierstation einrichten. Hier war es ihm auch möglich mit Hilfe des Landrates von Feldbach, Dr. Josef Tieber, wirksamere Medikamente gegen Fleckfieber einzusetzen. Ansonsten wurde den infizierten Ungarn im ganzen Abschnitt lediglich Tierkohle als einzige Medikation verabreicht.
Die jüdischen Ärzte, die ihre Kameraden im Zeltlager pflegen sollten, brachte man im Pfarrhof in Neuhaus unter. Der dortige Pfarrer Stephan Berger und seine als Haushälterin bei ihm tätige Schwester Theresia Berger nahmen aber auch Fleckfieberkranke zur Betreuung in den Pfarrhof auf. Während der Pflege der Kranken infizierte sich Theresia Berger ebenfalls mit Fleckfieber und starb am 3. April 1945. Insgesamt vier Ungarn verstarben im Pfarrhof an Fleckfieber und wurden auf dem Gemeindefriedhof beigesetzt.
Auch Einheimische unterstützten die Ungarn immer wieder mit Lebensmitteln die sie so deponierten, dass die Ungarn nach Arbeitsschluss auf ihrer Suche nach Nahrung in ihren Besitz gelangen konnten. Obwohl es eigentlich streng verboten war die Unterkunft zu verlassen, gelang es einigen Ungarn immer wieder sich davon zu schleichen und etwas Eßbares zu organisieren.
Brief Sandor Brown klEin besonderer Fall von Unterstützung ist aus Brief2 Alan Brown klNeuhaus bekannt. Die dortige Kauffrau Rosa Freißmuth erhielt eines Abends unvermuteten Besuch in ihrem Laden. Alan Brown, einer der ungarischen Schanzarbeiter, war in Sorge um seinen ebenfalls in Neuhaus internierten Vater, der schon schwere Fleckfieber-Symptome aufwies. Er hoffte, im Geschäft von Rosa Freißmuth Medikamente und Lebensmittel erhalten zu können. Unglücklicherweise befand sich zur selben Zeit ein SS-Mann im Laden. Rosa Freißmuth schob Alan Brown kurzerhand in einen Nebenraum und bedeutete ihm sich ruhig zu verhalten. Nachdem der SS-Mann den Laden verlassen hatte versorgte Rosa Freißmuth den ihr Unbekannten mit dem Gewünschten. Sie verabredete mit ihm, dass sie ab nun jeden Abend Medikamente und Lebensmittel hinter ihrem Haus im Schnee verstecken werde. Alan Brown ist sich sicher, dass er und sein Vater nur durch ihre Hilfe bis Ende März 1945 überleben konnten. An diesem Tag begann die Evakuierung des Lagers. Alle Ungarn wurden in Richtung Mauthausen in Marsch gesetzt. Alan Brown und sein Vater Sandor waren zu geschwächt für diesen Marsch und gehörten zur Gruppe der 15 Ungarn, die zurückgelassen wurden. Sie sollten an einem der nächsten Tage erschossen werden und nur der schnelle Vormarsch der Roten Armee verhinderte dies. In den nächsten Tagen pflegte man sie mit weiteren zurückgebliebenen Ungarn in der Schule in Kalch. Alan Browns Vater war schon so geschwächt, dass er trotz Pflege einige Tage später starb und in der Nähe der Schule begraben wurde. Der damals 17jährige Alan Brown überlebte den Zweiten Weltkrieg und kehrte nach Ungarn zurück. Nachdem jedoch alle seine Verwandten im Holocaust ermordet wurden, entschloß er sich zur Auswanderung nach Kanada.
1961 besuchte Alan Brown erstmals seit dem Krieg die Gemeinde Neuhaus. Mit Hilfe von Einheimischen gelang es ihm, das Grab seines Vaters Sandor in Kalch ausfindig zu machen. Er ließ einen Grabstein anfertigen und aufstellen. Es gelang ihm auch, die neue Adresse von Rosa Freißmuth zu eruieren, die nach ihrer zweiten Heirat unter dem Namen Rosa Schreiber in Linz lebte. Zwischen beiden entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft. 1995 zeichnete das Holocaust Memorial Center in Detroit Rosa Freißmuth aufgrund einer Eingabe von Alan Brown aufgrund ihrer mutigen Hilfeleistung aus. 1997, ein Jahr nach dem Tod von Rosa Schreiber, verlieh ihr die Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem den Titel „Gerechte unter den Völkern“.

 

Quelle:

850 Jahre Neuhaus am Klausenbach, Mattersburg 2008, S. 58 - 63 und S. 173 - 176.

Udo Fellner. Bittere Heimatgeschichte, Das Schicksal der jüdischen Zwangsarbeiter in Krottendorf und Kalch. In: Gerhard Baumgartner, Eva Müllner, Rainer Münz (Hg.). Identität und Lebenswelt. Ethnische, religiöse und kulturelle Vielfalt im Burgenland. Eisenstadt 1989, S. 128 - 132.

Eleonore Lappin-Eppel. Ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in Österreich 1944/45. Arbeitseinsatz – Todesmärsche – Folgen. Wien, Berlin 2010, S. 353 - 359.

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